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Zum Auftakt der EM 2024: "Crowd Sounds" reloaded

Wir schreiben das Jahr 2018 und die Fußball-WM findet in Russland statt. Im gleichen Jahr ist der Kammerchor des Gymnasiums Muttenz eingeladen, am Europäischen Jugendchorfestival in Basel im internationalen Hauptfeld teilzunehmen. Für uns bedeutet das eine große Ehre, können doch nur international bewährte Ensembles aus dem In- und Ausland an diesem Festival teilnehmen, wofür man sich einem Bewerbungsverfahren stellen muss. Es war über Jahre hinweg mein erklärtes Ziel, mir selber und auch der Jugendchorszene zu beweisen, dass auch ein „normales Gymnasium“ mit entsprechender Vorbereitung und einem geschickten Konzept in diesem internationalen Umfeld mithalten kann.

Für das Eröffnungskonzert in Liestal habe ich mir damals ziemlich gewagt etwas spezielles überlegt. Ich weiß bis heute nicht, ob das in der riesigen Flut des Festivals überhaupt registriert worden ist. Fußball ist bekanntlich quasi omnipräsent in der Öffentlichkeit und der Hype ist mittlerweile derart groß, dass man es sich fast nicht mehr erlauben kann, sich diesem Sog zu entziehen. Also entschloss ich mich, eine Komposition oder besser gesagt eher ein Klangkonzept zum Thema Fangesänge speziell für das damalige Festival zu entwickeln. Die Improvisationsmodelle gehen teilweise auf ein Projekt zurück, die meine M-Klasse damals in der Reihe „Nachtklang“ mit Mitgliedern des Kammerorchesters Basel entwickelt hat.

Das Stück startet mit einer Art Aufruf zu den Tönen F-C-B. Warum muss es immer der FCB sein, der in der öffentlichen Aufmerksamkeit steht? Wir erfahren die pikantesten Details zu jeder noch so banalen Information aus dem Umfeld des FCBs während die Kulturteile der Zeitungen immer mehr dahinserbeln. Auf F-C-B erfolgt ein stilisiertes „Ole, ole, ole“, das sich schließlich zu einem großen Cluster aufbaut und plötzlich in sich zusammenfällt. Der 2. Teil geht anschließend auf eine Erfahrung zurück, die ich bei der Recherche zu Fangesängen gemacht habe. Das Lied „Erfolg isch nid alles im Läbe“ geht nämlich auf das Stück „Avanti ragazzi di Buda“ des Liedermachers Pier Francesco Pingitore zurück, das er geschrieben hat, als die Russen in den Sechzigerjahren in Budapest einmarschiert sind. Neben dieser grausamen Geschichte kommen mir die Ereignisse von 1989, die als Friedensbewegung in Städten wie Leipzig bis heute regelmäßig gepflegt werden, fast unwirklich vor. Was war 1989 anders, dass eine derart friedvolle Wende Wirklichkeit werden durfte?

Der Hintergrund der Melodie hat mich schon damals aus aktuellem Anlass unmenschlichen Blutvergiessens nicht mehr losgelassen. Aus einer sanften Andeutung kristallisiert sich in meinem Stück daher die Melodie immer mehr heraus, bis sie Schließlich verschränkt mit einer anderen Fanmelodie in eine einfache Form von Schlussfuge mündet. Was können Musik und Fußball aktuell zum Frieden beitragen? Muss es denn immer um Macht, Geld und Gewinn gehen? Hören Sie sich „Crowd Sounds“ an. Was denken Sie?



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