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Autorenbildjuergsiegrist

Wasserwelten: Quellenforschung zu "The Drop That Contained the Sea" von Christopher Tin

Aktualisiert: 3. Sept.

Letzte Woche habe ich wieder einmal Beethovens 9. mit einer Klasse angehört. Schon nur der letzte Satz dauert 25 Minuten und hat bei der Uraufführung mit seinen Dimensionen das Publikum beeindruckt. Wie schreibt man jedoch in der heutigen Zeit Werke in weltumfassender Dimension? Welche Themen sollen aufgenommen werden? Welcher Stil soll zur Anwendung kommen?

Das Werk "The Drop That Contained the Sea" von Christopher Tin versucht, auf diese Frage eine Antwort zu finden. Bekannt geworden ist Tin mit dem Gebetssong "Baba Yetu", den er für das Computerspiel Civilization geschrieben hat. Im Gymchor Muttenz ist dieses Stück schon fast zur Legende geworden und hat sich über Jahre fest in unserem Repertoire etabliert:

Nun haben wir mit dem Werk "The Drop That Contained the Sea" ein konzertfüllendes Stück von Christopher Tin auf dem Programm, das in einer Art Reise verschiedene Stücke aus aller Welt zum Thema "Wasser" aufnimmt und auf eigene Weise bearbeitet. Oft wird beschrieben, dass Tin dabei für verschiedene Kulturen schreibe, ich erlebe es jedoch eher so, dass der Komponist von und über verschiedene Stücke und Texte zum Thema Wasser schreibt und das Ganze in ein großes Werk für Orchester, Chor und Solostimmen packt.

Die Eröffnung beginnt mit dem Hauptthema des Werks, das in einfachen Motiven tonleiterartig absteigt. Dabei wird das Wort Wasser in unterschiedlichen Sprachen von allen Chorstimmen verwendet.

Das zweite Stück "Haktan Gelen Serbeti" war ein Auftragswerk der DCINY (Distinguished Concerts International New York) und wurde aus Anlass des zwanzigjährigen Jubiläums von Turksoy (internationale Organisation für türkische Kultur) geschrieben. Zitat: "As a gift from the citizens of the United States to the Turkish People." Die Frage ist, wer hier wen beschenkt, weil sich das Stück ganz deutlich auf Aufführungspraxen türkischer Volksmusik bezieht. Der Text handelt vom göttlichen Nektar, den alle trinken und fließend und strömend Frieden in die Welt bringt. Christopher Tin bezieht sich dabei deutlich auf Ursprungsversionen des Lieds:

Im 3. Stück des Werks geht die Reise nach Bulgarien zu den legendären "Bulgarian Voices": Der Text handelt von dunkeln Wolken, die die Dorfgemeinschaft bedrohen. Tin setzt Melodie und Rhythmik sehr nahe an der originalen Musikrichtung ein:

Dann geht die Reise zu den Xhosa nach Südafrika. Der Text stammt vom US-amerikanischen Dichter Henry Wadsworth Longfellow, wurde nach Xhosa übersetzt und handelt vom klärenden Regen. Stilistisch lehnt sich das Stück an Praktiken, die seit Miriam Makeba weltweit bekannt geworden sind.

Das mongolische Kehlkopfsingen mit seinen typischen, langgezogenen Quintklängen wird im 5. Stück eingesetzt, um einen Schneesturm darzustellen.

Im 6. Teil des Werks geht die Reise nach Südamerika. In einem lyrischen Lied wird das Vergehen des Sommers und damit verbundene regnerische Zeiten beklagt. Der Text stammt vom Dichter Louis de Camoes, der im 17. Jahrhundert in Portugal gelebt hat. Stilistisch geht das Stück auf Komponisten wie H. Villa-Lobos zurück, wurde es doch zuerst nur für Gitarre und Singstimme und erst später für Orchester gesetzt.


Der Ganges gilt in Indien als heiliger Fluss und wird mit traditionellen indischen Gesängen besungen. Ihm wird eine reinigende, heilige Wirkung zugesprochen. Der Text des siebten Stücks steht in Sanskrit und geht auf den indischen Philosophen Adi Shankara zurück, der um 800 gelebt hat. Ähnliche Versionen aus Indien, die sich an klassischen Ragas orientieren klingen so:

In der Odyssee von Homer fahren die Seefahrer an Inseln vorbei, die von Sirenen bewohnt werden. Mit ihren schönen Stimmen locken sie die Männer an, um sie später mit ihren Krallen, die im Sand verborgen sind, zu zerfetzen. Das achte Stück ist eine Originalkomposition, die Christopher Tin für das Sinfonieorchester Bangor geschrieben hat und arbeitet mit vielen klangvollen Terzschichtungen.

Ebenfalls eine Originalkomposition ist des Stück "Haf Gengr Hridum", das zu einem alten, isländischen Text aus der Poetic Edda geschrieben wurde. Die harmonischen Kombinationen sind klanglich wirkungsvoll gelungen, während die Vertonung des Sturms im Vergleich zu anderen Kompositionen von Haydn bis Britten eher harmlos daherkommt.

Ja und zum Schluss landen wir wieder in Afrika. Hier scheint sich Christopher Tin besonders wohl zu fühlen. In einer Art Regenlitanei wird der Regen besungen und in mehreren Wellen die Erde fruchtbar gemacht. Aus dem anfänglichen Tropfen werden Wassermassen und zerfließen in einer Welt, in denen sich kulturelle Ströme zu einem, widersprüchlichen, zerfliessenden Ganzen verbinden. Essen müssen wir schließlich alle…

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