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Autorenbildjuergsiegrist

Totales Expertenwissen


Als die Coronakrise ihren ersten Anlauf nahm, wurde er schon bald laut: Der Ruf nach Expertinnen und Experten. Wer sollte denn besser wissen, wie mit dieser Ausnahmesituation umzugehen sei, als die besten Spezialistinnen und Spezialisten, die sich seit Jahren tagtäglich mit komplexen Fragen der Wissenschaft auseinander gesetzt haben?

Seitdem werden wir praktisch tagtäglich mit unterschiedlichsten Expertenmeinungen eingedeckt. Vom "mir ist mulmig im Bauch" bis "der Kollaps des Gesundheitssystem steht unmittelbar bevor" bis "die Absicht der Prognosen ist, Anstrengungen einzuleiten“ ist von vielen Seiten leider auch viel Unwissenschaftliches zu hören. Daher schlage ich mal unter Wikipedia nach, wie dort „Wissenschaft" eigentlich definiert wird: "Das Wort Wissenschaft (mittelhochdeutschwizzen[t]schaft = Wissen, Vorwissen, Genehmigung; lateinischscientia) bezeichnet die Gesamtheit des menschlichen Wissens, der Erkenntnisse und der Erfahrungen einer Zeitepoche, welches systematisch erweitert, gesammelt, aufbewahrt, gelehrt und tradiert wird." Es wird hier von der Gesamtheit menschlichen Wissens gesprochen und keinen individuellen Standpunkten. Und später: "Die Wissenschaft ist ein System der Erkenntnisse über die wesentlichen Eigenschaften, kausalen Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten der Natur, Technik, Gesellschaft und des Denkens, das in Form von Begriffen, Kategorien, Maßbestimmungen, Gesetzen, Theorien und Hypothesen fixiert wird." Ein bekannter von mir ist Historiker und hat mir kürzlich Texte zukommen lassen, wie früher mit Pandemien umgegangen wurde. Dabei war auch eine interessante Untersuchung zur Spanischen Grippe, die aufzeigen konnte, dass US-amerikanische Städte, die raschere und stärkere Einschränkungen vollzogen haben, deutlich tiefere Todesraten zu verzeichnen hatten. So haben auch in der Schweiz vor einigen Wochen viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen weiteren Lockdown gefordert, um das Virus wirksam einzudämmen.

Seit Menschengedenken versucht die Wissenschaft mit derartigen Hypothesen (Vermutungen) Erklärungen und Gesetzmässigkeiten unserer Welt zu finden. Die Antiken Philosophen erklärten sich das Universum mit Hilfe von Klangexperimenten als "Schwingungswelten" oder "Sphärenharmonien". Später vermutete man, dass die Welt eine Scheibe sei, bevor mit neuen Erkenntnissen und Beweisen auch das widerlegt werden konnte. Eine riesige Entwicklung der Wissenschaft über Jahrtausende nahm ihren Lauf.

Eines zeigt sich jedoch gerade jetzt wieder von neuem: Nämlich, dass wir auch im 21. Jahrhundert wenig bis nichts über unsere Welt wirklich wissen und schon gar nicht vorhersagen können. Wir können nur Vermutungen auf Grund unserer Vorerfahrung anstellen. Es ist dabei schon fast ernüchternd wie unterschiedlich bis gar blind für andere Fachbereiche die Wissenschaft im bisherigen Verlauf der Pandemie Stellung bezogen hat. Und obwohl offensichtlich im Nachhinein vieles nicht unbedingt sinnvoll eingeschätzt worden war, können wir nachwievor unablässig unterschiedlichste Meinungen von denselben Expertinnen und Experten lesen und hören. Was ist eigentlich so schwierig daran, auch in der Coronakrise eine Hypothese wirklich als Vermutung auf Grund von Vorerfahrung zu deklarieren, wie es eigentlich in der Wissenschaft gang und gäbe ist? Es wäre zumindest wesentlich glaubwürdiger und wissenschaftlicher als sich als staatliche Auguren zu betätigen.

An dieser Stelle sei mir ein kleines Gedankenspiel erlaubt: Nehmen wir mal an, unser Leben würde nur 30 Tage dauern. Ein Mensch, der im Frühjahr geboren würde, könnte also beobachten, wie es in seinem Leben Tag für Tag etwas wärmer würde. Genau diese Erfahrung würde er dann auch der nächsten Generation weitergeben, er kennt es ja nicht anders. Für ihn wäre also über Generationen klar, dass es immer wärmer wird. Als dann im Sommer die Temperatur über dreissig Grad steigt, wird es einigen dann langsam zu warm und die Expertinnen und Experten warnen: „Hört mal, es wird immer wärmer und wärmer, wir müssen uns dagegen schützen." So werden im Sommer Erdhäuser gebaut und riesige Wasserspeicher angelegt, um der immer grösseren Hitze zu begegnen. Komischerweise geht dann die Hitze im Herbst auf unerklärlicherweise plötzlich von selbst zurück. Einzelne Wissenschaftler hatten das auf Grund ihrer Beobachtungen im Universum schon als Hypothese aufgestellt, aber wer konnte wirklich wissen, ob diese wirklich eintreffen würde?

Wir können die Zukunft nicht vorhersagen. Auch die besten Expertinnen und Experten nicht. Auf Grund bisheriger Erfahrungen können wir nur vermuten, dass auch diese Pandemie vorübergehen wird. Wenn aber im gleichen Atemzug wie momentan Vorhersagen gemacht werden, totalitärähnliche Massnahmen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gefordert, öffentlich kommuniziert und begründet werden, dann wird mir allmählich "mulmig im Bauch". Wenn die Impfung kommt und wirklich wirkt, wäre es retrospektiv wenigstens nur temporär gewesen...wenn nicht.....was dann? Werden wir dann in Zukunft nur noch im Sommer singen dürfen?






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