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Autorenbildjuergsiegrist

Requiem am Theater Basel: Ein Fest der Sinne

Aktualisiert: 2. Juni

Kürzlich liess ich mich von unseren Kindern überreden, die neueste Verfilmung von «Kung Fu Panda» in einer 4-D-Variante zu besuchen. Während knapp zwei Stunden wurde ich durchgeschüttelt und mit eigenartigen Gerüchen eingedeckt, die mich mehr irritiert als wirklich angesprochen haben und ich war ehrlich gesagt froh, als der Spuk ein Ende hatte, und ich mit etwas flauem Magen meinen unberechenbaren Schleudersitz endlich wieder verlassen konnte.

Unser Ältester geht gerne in die Oper, und er fragt mich zurzeit regelmässig, ob ich mit ihm eine Aufführung besuchen könne. Ich war in seinem Alter kein extrem fleissiger Opernbesucher, um so mehr freut mich natürlich, dass das bei unseren Kindern zumindest im Moment anders zu sein scheint. Nach einem ersten Besuch von Carmen studierte unser Sohn den Spielplan und fragte mich, ob ich auch mit ihm ins Requiem von Mozart kommen könne. Schliesslich sei er ja auch Mozartfan und er möchte gerne neben der Zauberflöte noch andere Werke des Komponisten näher kennenlernen.

Als Musiker kann ich diesen Steilpass nun wirklich nicht ablehnen, und wir buchen gemeinsam zwei Tickets für das Requiem von Mozart am Theater Basel. Unsere Plätze befinden sich direkt hinter dem Dirigenten und wir haben die ganze Bühne inklusive Orchester in unmittelbarer Nähe. Das Stück beginnt ruhig mit der Szene einer alten Frau, die zu Bett geht. Kurz darauf setzt wie von fern eine gregorianische Melodie ein; ein intensiver, berührender Auftakt, in dem die häufigste und natürlichste Sterbensart am Ende eines erfüllten Lebens zum Ausdruck gebracht wird. Da ich in den letzten Wochen an mehreren Beerdigungen älterer Menschen teilgenommen habe, lässt mich das alles andere als kalt.

Anschliessend setzt das Orchester ein. Der etwas massige Klang des Theaterchors reisst mich jäh aus meinen intensiven Gefühlen. Eigentlich bin ich noch ganz froh, dass sich meine Stimmung wandelt, als sich auf der Bühne volkstanzartige Szenen entwickeln. Die Tänze wirken festlich aber irgendwie auch befremdlich auf mich. Mein Sohn sagte mir nach der Aufführung, dass er das gar nicht so empfunden hat. Er habe gar kein Bild vom Requiem im Voraus gehabt und die Tänze hätten ihn gar nicht gestört. Könnte das ein Fingerzeig auf mein eigenes nicht mehr ganz junges Alter sein?

Als auf der Bühne ein Maientanz dargestellt wird, kann ich das Tanzkonzept langsam besser akzeptieren. Immer wieder wird ein Kind mit Farbe und anderen Lebenssäften bekleckert. Eine Art Opfergabe? Moralischer Fingerzeig? In der zweiten Hälfte wird der Sinnesrausch um einiges intensiver, als die Bühne immer mehr mit echter Erde bedeckt wird. Ein starker, modriger, erdiger Geruch breitet sich aus und aus der Bühne entsteht je länger je mehr ein Grab, das am Ende mit einem riesigen Sargdeckel geschlossen wird. Alles ist vergänglich. Auch die Menschheit.

Doch aus Vergänglichkeit entsteht immer auch etwas Neues. Ohne  Vergänglichkeit gäbe es das Neue gar nicht und hätte keine Chance und keinen Raum, sich zu entwickeln. Zum Schluss der Aufführung liegt ein Säugling alleine in einem Stillkissen auf der Bühne. Ein Junge singt direkt vor uns auf am Dirigierpult: «In Paradisum». Oper is(s)t Leben und kein 4D-Kino…

 

 

 

 

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👌👌👌👌 war aber ein tolles erlebnis



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