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Let it be - Von der Faszination des Originals

Aktualisiert: 5. Nov. 2023


Wer kennt ihn nicht den Evergreen «Let it be» der Beatles. Ausser auf Vintage Plattformen wird das Lied zwar nicht mehr allzu oft am Radio gespielt. Rein sängerisch und auch vom musikalischen Aufbau her ist der Song jedoch einmalig in der Popmusikgeschichte. Bei genauerem Hinhören stellt sich nämlich heraus, dass kein Teil des Lieds gleich instrumentiert ist. In allen Teilen werden Backingvoices, Bläser, Gitarre, Schlagzeug, Orgel und Bass sehr unterschiedlich und vielfältig eingesetzt. Absolut legendär ist Paul McCartneys Stimme, die leicht und locker bis in die höchsten Höhen schwebt und driftet:



Nun singe ich dieses Lied seit Jahrzehnten im Musikunterricht; nicht allzu oft zwar aber meist am Anfang der Ausbildung eines Musikkurses. Da ein Stück wie «let it be» für viele Schüler*Innen zu hoch liegt, wird es in vielen Musiklehrmitteln für die Schulpraxis nicht in der Originaltonart veröffentlicht. Im Beispiel, das ich oft verwende, steht das Stück in F-Dur und klingt mit meiner eher baritonalen Stimme so:



Wenn man sich das so anhört, ist die Wirkung zugegebenermassen ziemlich weit weg von Original. Die Stimme klingt tief, schwer und massig und das Klangbild leidet darunter. Nun gibt es auch bei klassischen Stücken (Winterreise, Dichterliebe) die Praxis, die Lage der Stücke den stimmlichen Voraussetzungen anzupassen. Dabei gibt es jedoch einen wesentlichen Unterschied: Während Stücke von Schubert und Schumann ursprünglich komponiert und als Notentexte veröffentlicht, und für mehrere Interpretierende konzipiert worden sind, hat ein Lied wie «let it be» quasi ursprünglich keine «Fremdbestimmung» und ist ausschliesslich für die Besetzung mit Paul McCartney als Leadsänger auf seinen Leib geschrieben worden. Dieser individuellen Ausdrucksform gerecht zu werden, ist schwierig; speziell mit einer Schulklasse. Daher empfinde ich das Singen vieler Popmusikstücke im Unterricht immer als eine Art Kompromiss, denn eigentlich müsste man viele dieser Lieder solistisch oder zumindest mit individuellem Ausdruck singen. Doch wer hat im Musikunterricht schon vier verschiedene Bandraums dafür zur Verfügung? Somit bleibt es häufig beim kompromisshaften, populären Klassengesang, der häufig klanglich für alle Beteiligten eigentlich nicht wirklich zu befriedigen vermag.

Mir scheint daher wichtig, dass beim Ausüben jeglicher Popularmusik das Original bekannt sein und daraus aufführungspraktische Hinweise abgeleitet werden sollten. Für das Beispiel «let it be» sollte demnach berücksichtigt werden, dass das Original in C-Dur steht. Wird es von einer Männerstimme gesungen klingt das in meinem Fall so:



Zugegeben, es ist nicht unbedingt «meine Lage», es klingt jedoch trotzdem viel authentischer als die tiefe F-Dur-Variante. Ein weiteres prominentes Beispiel in der heutigen Schulklassenpraxis ist das Lied «Grenade» von Bruno Mars, das im Original in sehr hoher Lage gesungen wird:



Für die Schulpraxis bedeutet das häufig, dass das Lied zwar in der Originaltonart aber eigentlich eine Oktave zu tief gesungen wird. Der Klang des Lieds bewegt sich in dieser Lage weit weg vom Original und klingt, sei es noch so gut gesungen, meist enttäuschend schlaff. Quintessenz dieses fachlichen Blogs: Beim Singen im Musikunterricht sollte der Lage der Stimmen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden und bei Transkriptionen, wie häufig schon üblich, immer die Originaltonart vermerkt werden. Damit kann im Unterricht auf lagespezifische Fragen Rücksicht genommen und bewusst in Kauf genommen werden, dass eine Schulklasse keine Popband ist. Vor diesem Hintergrund erhält meiner Ansicht nach der Einsatz von Volksliedern, älteren Liedern und Chorsätzen im Klassensingen ein neues Gewicht, weil diese Sätze für das Singen in Gruppen klanglich und stimmtechnisch häufig besser geeignet sind als ein topaktuelles Pop Stück. Hat eine Gruppe diese Erfahrung einmal gemacht, kann im Unterricht bewusst ein sehr vielfältiges, breites Repertoire eingesetzt werden, dass sich wirklich für das Klassensingen eignet und auch gut klingt.






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