Wie stark soll jede und jeder in einer Gesellschaft seine eigenen Interessen vertreten können? Wo braucht es vermehrt Zusammenarbeit und Solidarität? Das sind gesellschaftliche Fragen, die vermutlich alle betreffen. Nun hat der Wahlkampf in Baselland definitiv begonnen und verschiedene politische Akteure nehmen wieder schärfere Worte in den Mund. Ist hier einfach alles erlaubt? Dürfen andere, gegnerische politische Haltungen und Konzepte schamlos als «Selbstmordpolitik» bezeichnet werden, wie dies jüngst gerade geschehen ist? Welche Politik schützt das Leben und unsere Lebensweise? Welche gefährdet sie? Und wie können wir beurteilen, was nun wirklich richtig ist? Im Coronajahr 2020 haben sich die Selbstmordversuche von Jugendlichen verdoppelt. Seither sind Jugendpsychiatrien massiv überlastet. Was ist exemplarisch die gesellschaftliche und letztlich auch politische Konsequenz dieser Entwicklungen?
Seit einigen Jahrzehnten ist die politische Rhetorik in der Schweiz um einiges rauer geworden. Es wird kein Blatt mehr vor den Mund genommen, schamlos und offen provoziert, diffamiert und polemisiert. Viele meiner Bekannten scheinen darob ermüdet und politikverdrossen geworden zu sein. Heute steht in der Sonntagszeitung: «Über 60% der der US-Amerikaner haben Angst ihre wahre politische Meinung zu äussern, weil sie fürchten ihren Job zu verlieren.» In der Schweiz ist das bisher zum Glück nicht der Fall. Die sozialen Medien heizen jedoch auch hier mit stereotypen und plakativen Kommunikationskonzepten, Berichterstattungen und einer Null- und Einsphylosophie (Daumen hoch, Daumen runter?, Messie oder Ronaldo?) die Debatten unentwegt an. Zusätzlich drängen aktuelle Konflikte dazu, sich klarer zu positionieren und lassen wenig Spielraum, einmal in Ruhe zu erörtern, was zur Zeit eigentlich geschieht; nämlich im Grunde nichts weiter als eine verstärkte, weltweite Polarisierung gewichtiger Machtstrukturen.
Kürzlich habe ich in einem Artikel gelesen, dass Putin durchaus auch durch eine coronabedingte Isolation zusätzlich in einer Art Wahn nach den olympischen Spielen dazu getrieben worden sein könnte, Grenzen rücksichtslos zu überschreiten. Ist der Ukrainekrieg somit auch eine indirekte Folge der Coronakrise? Oder war der Machthunger der politischen Elite Russlands schon lange vorher verborgen hinter Handelsbeziehungen vorhanden?
In einer Welt, in der ein Land mit Atomwaffen ein anderes ausradieren kann, sind diplomatische Beziehungen enorm wichtig. Es muss sogar als gefährlich bezeichnet werden, diplomatische Beziehungen einfach abzubrechen oder gar nicht erst aufzunehmen. Nur, was bringt Diplomatie noch, wenn die Fronten derart verhärtet sind, wie wir das zur Zeit zwischen der Ukraine und Russland beobachten? Wie konnte es überhaupt soweit kommen, und wann wird endlich ein Waffenstillstand möglich sein?
In funktionierenden Demokratien müssen Staatsfrauen und Staatsmänner die Verantwortung für ihr Tun selbst übernehmen, persönlich für ihre Entscheidungen hin stehen, sind öffentlich anfechtbar und können sich nicht hinter einem Machtapparat verstecken. In Krisenzeiten ist dies besonders herausfordernd und vermutlich hat nicht zuletzt unser bewährtes, politisches System dazu geführt, dass die Schweiz recht gut durch die Coronakrise gekommen ist. Da viele Ansichten und Meinungen eingebunden waren, konnten Radikalisierungen meist gut vermieden werden. Aber auch in der Schweiz sind seit der Krise bis heute gewisse Brüche und Risse in der Gesellschaft stärker wahrnehmbar.
Welche politische Kräfte vermögen hier ausgleichend zu wirken? Sind es die Kräfte der Polemisierungen, Zuspitzungen und gegenseitigen Beschuldigungen, die übrigens bei verschiedenen politischen Parteien medial aufgeheizt immer wieder zu beobachten sind?
Nein, nur die direkte, sachliche Auseinandersetzung bringt uns wirklich weiter. Was ist ein gerechtes Steuersystem? Wer kann oder soll wie viel Geld zum Allgemeinwohl beitragen? Ist es richtig, dass viele, teilweise auch vermögende Menschen mit professioneller Hilfe geschickt aufgestellt, verhältnismässig wenig Steuern bezahlen müssen, und sogar noch damit angeben, während andere einen erheblichen Anteil ihres Erwerbseinkommens abgeben müssen? Wie gehen wir mit der Schweizweiten Steuerkonkurrenz um? Besteht nicht Handlungsbedarf, wenn die Immobilienpreise aus steuertechnischen Gründen im Kanton Zug massiv steigen und im Baselbiet sinken? Warum haben wir als Halbkanton nicht mehr Einfluss auf solche Fragen? Welche Politik kann hier sinnvolle Entwicklungen einleiten? Ich habe darauf, Medienhetze hin oder her, zur Zeit meine persönliche Antwort gefunden. Es sind Ideen, wie sie aktuell das Fortschrittsprogramm der SP Baselland aufzeigen.
Wo sonst sind solche konkreten, konstruktiven Perspektiven auszumachen? Danke für Hinweise.
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