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Carnatic Music: Ungewohnte Perspektiven


Im Abschlussjahrgang des Grundlagenfachs Musik am Gymnasium Muttenz Schülerinnen und Schüler jeweils ein bewertetes, musikalisches Referat halten. Die Bedingungen dafür sind sehr offen und sollen sich auf die Fähigkeiten und Interessen der Referentin oder des Referenten beziehen. In Zentrum der Aufgabe steht, dass Musik wenn möglich selbst erzeugt erklingen und zusätzlich interessant und fachlich möglichst fundiert darüber berichtet und reflektiert werden soll.

Die Coronakrise hat uns leider zuerst einen ziemlichen Strich durch die Rechnung gemacht. Zuerst wusste ich nicht, ob sich die geplante Vortragsreihe überhaupt noch sinnvoll fortsetzen lässt. Nach einigen Abklärungen haben wir uns dann jedoch entschlossen, die Präsentationen in Form von Videoformaten doch noch fortzusetzen. Die Schülerinnen und Schüler mussten also neu ihre Vorträge filmisch festhalten und anschliessend der ganzen Klasse zugänglich machen. Ein Schüler hatte schon länger geplant, sein Referat zu südindischer Musik zu halten. Ich wusste nicht im Detail, in welcher Form er indische Musik praktiziert und kennt. Da ich ihn jedoch als interessiert und engagiert wahrgenommen habe, entschloss ich mich, ihn in dieser Idee zu bestärken.

Die Videopräsentation, die nun auf Grund dieser Vorgeschichte entstanden ist, ist in mehrerer Hinsicht erstaunlich. Einerseits ist das Ausmass, wie tief der Schüler sich mit traditioneller, indischer Musik auseinandersetzt, überraschend. Ich kenne wenig Schülerinnen und Schüler aus meinem eigenen Kulturkreis, die bereit gewesen wären, sich derart tief von sich aus mit traditionellen Schweizerischen Musizierformen auseinanderzusetzen. Vielleicht ist dieser Vergleich auch fehl am Platz. Trotzdem lässt sich diese Auffälligkeit nicht wegdiskutieren.

Andererseits berührt mich auch die Hingabe, mit der sich dieser Schüler der südindischen Musik widmet. Das Beschreiben der musikalischen Ausducksformen ist immer oft direkt mit dem "in der Musik sein" verbunden. Vielleicht ist klanglich noch nicht alles ideal gelöst; trotzdem zeigt die Präsentation auf eindrückliche Weise, wie sich der Schüler beim Musizieren in einen anderen mentalen Zustand versetzen kann. Die Musik macht aus ihm einen anderen Menschen, der Seiten von sich zeigt, die auf den ersten Blick nicht unbedingt sichtbar geworden wären.

Wir erhalten durch die Form der Videopräsentation also einen Einblick in traditionelle südindische Musik, der in gewisser Weise näher an das Phänomen heranzoomen kann, als das bei einer Livepräsentation möglich gewesen wäre. Wenn ich im Moment zum Fernunterricht eine wichtige positive Erkenntnis nennen müsste, dann wäre es genau dieser Umstand; nämlich dass auf Grund neuer Medien teilweise Perspektiven auf Schülerinnen und Schüler sichtbar wurden, die im Regelunterricht so nicht möglich gewesen wären. Die Kehrseite der Medaille ist -das dürfen wir dabei nicht vergessen- , dass wir durch Videokonferenzen je nach dem auch einen stärkeren Einblick in heikle, private Lebensumstände unserer Schülerinnen und Schüler erhalten können. Von dem her ist absolut nachvollziehbar, wenn in gewissen Situationen die Kameras abgeschaltet bleiben. Im Falle des Videos "Carnatic Music" ergab sich jedoch mit Hilfe der Kamera die Chance, faszinierende, eher verborgene Qualitäten eines Schülers zu entdecken und sichtbar zu machen. Jede Krise hat auch ihre Chancen...






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