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Akustik in Kirchenräumen: Immer wieder herausfordernd

Aktualisiert: 3. Okt. 2022



Noch immer klingen Ausschnitte des Konzerts «im Takt» (Blog "im Takt") von der letzten Woche in meinen Ohren nach. Die Konzerte sind gut gelaufen und auch das Medienecho war sehr gut. Ende gut, alles gut. Dass das nicht unbedingt selbstverständlich ist, habe ich mit meinem Chor zu Beginn der Konzertwoche einmal mehr erlebt, als wir zum ersten Mal in der Stadtkirche von Liestal geprobt haben. Nach einem sehr intensiven Probenwochenende in einer Schulaula fühlten sich alle gut vorbereitet und freuten sich auf die bevorstehende, intensive Schlussphase.

Als der Chor jedoch noch ohne Podeste die ersten Töne des Programms zum ersten Mal in der Kirche sang, war plötzlich alles anders als erwartet. Die Intonation war schwierig, alle versteckten sich in den Noten, was bei einem Programm, das vorwiegend aus A-cappella-Stücken besteht, nicht unbedingt vorteilhaft ist. Verzweifelt versuchte ich, den Chor zu ermutigen und wieder den Klang und die Ausdruckskraft herzustellen, die wir während des Probenwochenendes mit viel Aufwand erreicht hatten. Im Verlauf der Probe wurde der Klang und das Vertrauen der Sängerinnen und Sänger allmählich wieder etwas besser und am Schluss konnten wir dann doch zuversichtlich auf die kommende Hauptprobe blicken. Trotzdem war der Rückschritt für das Projekt ein Dämpfer, den ich gern vermieden hätte und Diskussionen mit einigen Berufskolleginnen und Kollegen, zeigten, dass viele in ihren Projekten vor allem im Laienbereich schon ähnliche Erlebnisse gemacht haben.

Ein wichtiger Faktor einer derartigen Erfahrung dürfte die Raumakkustik sein. Seit ich im Vorstand der Kulturkirche Paulus bin, habe ich mit vielen Kolleginnen und Kollegen oft über die Akkustik dieser Kirche diskutiert und konnte feststellen, dass deren Wahrnehmung sehr unterschiedlich ist. Die Pauluskirche verfügt über eine zumindest physikalisch gesehen für eine Kirche recht gute Akkustik. Der Nachhall hält sich in Grenzen, der Klang mischt sich gut und verteilt sich gleichmässig im Raum. Dieselben Beobachtungen wurden auch von einem professionellen Akkustiker bestätigt.

Als Chorsängerin oder Chorsänger sieht die Wahrnehmung unter Umständen jedoch etwas anders aus. Da im Abschallbereich des Chors keine oder nur wenige gerade Wände sind, hat der Chor vorne auf der Bühne nur wenig direktes, klangliches Feedback während des Singens. Als Sängerin und Sänger fühlt man sich qua si wie etwas isoliert beim Singen, weil man sich selbst und die Mitsängerinnen und Mitsänger nicht so direkt hören kann. Genau dieser Umstand kann für ein Ensemble irritierend sein.

Spannend zu beobachten ist, dass Ensembles mit diesen Anforderungen unterschiedlich umgehen können. Je mehr sich ein Chor auf die Akkustik einlassen kann, desto besser klingt er gemäss meiner Erfahrung auch im Raum. Lässt sich ein Chor jedoch durch die neue Situation entmutigen und irritieren, kann er unter Umständen nicht seinen vollen Klang entfalten, so wie ich es letzte Woche mit meinem eigenen Chor erlebt habe.

Als Chorleiter oder Chorleiterin wird man in einer solchen Situation zu einem kollektiven Mentaltrainer oder Mentaltrainerin. Nicht unbedingt musikalische Fragen stehen dann im Zentrum, sondern die Frage, wie wir möglichst bald wieder zu einem Zustand des inneren, gemeinsamen Vertrauens und Klangs in diesem Raum kommen können. Bei sehr gut eingespielten Ensembles sind in derartigen Situationen die Schwankungen zwar spürbar, aber nicht so verheerend wie das unter Umständen bei einem laienhafteren, zusammengewürfelten Ensemble sein kann.

Als das Sinfonieorchester Basel in Hamburg vor einigen Jahren in der Elbphilharmonie gespielt hat, soll man damals den Solisten Jonas Kaufmann akkustisch an gewissen Orten nicht gut gehört haben. War das ein ähnliches Problem? Die Architekten sagten damals, man solle sich halt akkustisch dem Raum anpassen können. Ob dass bei einem für Konzerte geplanten Saal, eine sinnvolle Antwort ist, sei einmal dahingestellt.

Was jedoch mit Sicherheit gesagt werden kann, ist, dass es wenig nützt, sich in Konzertsituationen über Raumakkustik zu beklagen, sondern man viel mehr versuchen sollte, durch sinnvolle Massnahmen und Anweisungen die Voraussetzungen des ausführenden Ensembles derart zu stärken, dass der Raum optimal bespielt und besungen werden kann.

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