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Jürg Siegrist

Musik und Migration in der Basler Hochschulszene


Letztes Wochenende fand an der Musikakademie Basel ein Symposium zum Thema "Musik und Migration" statt, das in den Medien auf ein auffallendes Echo stiess. Anlass des Symposiums war eine neue Studie, die die internationale Ausbildungs- und Profiszene der Basler Musikhochschule untersucht hat. Laut der Studie stammen 60 bis 80 Prozent der Studentinnen und Studenten der Musikhochschule aus dem Ausland. Ein Umstand, der mich nicht weiter überrascht, habe ich doch selber schon vor zwanzig Jahren gemeinsam mit Russinnen, Französinnen, Japanern und Schweizern in derselben Klavierklasse studiert. Das Niveau war schon damals besonders in der Konzertklasse, die damals auf eine vierjährige Grundausbildung folgte, sehr hoch und für mich zu Studienbeginn sehr eindrücklich.

Während andere schon zu Beginn ihrer Studienzeit von einer internationalen pianistischen Laufbahn träumten, war meine Absicht von Anfang an, Musiklehrer an einem Gymnasium zu werden. Eine internationale Tätigkeit mit Reisen und vielen Wohnortswechseln konnte ich mir damals nur schwer vorstellen, und hat mich nie wirklich interessiert. Zusätzlich musizierte ich immer gerne vielfältig (Singen, Klavier, Chöre leiten, Korrepetition, Musik und Bewegung). Gemäss dieser Studie bin ich somit der typische Schweizer, der sich eher um ein solides berufliches Umfeld bemüht, während andere vor allem ausländische Musikerinnen und Musiker in erster Linie ein Musikerinnenleben führen möchten und sich dabei wenig Überlegungen zu ihrer beruflichen Zukunft machen. Soweit die klischierte Sicht, die mit den Resultaten der soziologischen Studie bestätigt wird. Bei mir war es aber viel mehr das vielfältige Berufsbild des Schulmusikers, der mit jungen Erwachsenen viel aufbauen kann, das mich schon sehr früh gereizt hat. Es gab jedoch auch einzelne Stimmen, die damals nicht verstanden haben, weshalb ich nach meinem durchaus erfolgreichen Lehrdiplom auf dem Klavier nicht weiter studiert habe.

Mit der Personenfreizügigkeit ist der Anteil ausländischer Musikerinnen und Musiker in der Schweiz und besonders in der Region Basel stark angewachsen. Dies ist keine politische Aussage sondern schlicht Tatsache. Die Arbeitsbedingungen sind in der Schweiz derart gut, dass es für viele Absolventinnen und Absolventen der Musikhochschule schlicht keinen Sinn macht, in ihr Ursprungsland zurückzukehren. Dies ist sogar dann noch der Fall, wenn nicht die empfohlenen Tarife ausbezahlt werden können. Somit verfügt gerade die Region Basel über eine Unmenge an hervorragenden Musikerinnen und Musikern, die sich hier eine Existenz aufbauen konnten, die immer noch um Meilen besser ist, als sie in demselben Beruf in ihrem Heimatland führen könnten. Zusätzlich dürfte es teilweise eher schwierig sein, nach einem längeren Auslandaufenthalt im Heimatland beruflich und auch privat wieder Fuss zu fassen, zumal gerade in der aufführungspraktischen Frage viele ausländische eher regionale Musikbewegungen auch heute noch weit weg von der historischen Aufführungspraxis sind und teilweise gar kein Verständnis dafür haben.

Was mich in der ganzen Diskussion stört ist, dass gerade die Musikpädagogen in diesem Kontext oft als Schmalspurmusiker belächelt werden. Ein Umstand, den ich immer wieder mal zu spüren kriege und meiner Meinung nach der Sache in vielen Fällen nicht gerecht wird. Letztendlich ist jeder und jede frei in der Entscheidung, wie und wo er sich beruflich betätigen möchte. (Das kann heutzutage ja durchaus auch in einem neueren Feld wie z. Bsp. der "Musikvermittlung" sein). Wenn jemand ausschliesslich als Musiker oder Musikerin im internationalen oder lokalen Umfeld mit allen Konsequenzen von Konzerten leben möchte, steht ihm das frei. Wenn andere sich jedoch mit einer gleichwertigen Ausbildung mit hohem Engagement und Kompetenz um den musikalischen Nachwuchs oder Musikvermittlung kümmern, ist das meiner Meinung nach mindestens so viel Wert und stark nachhaltig. Ich bin daher ein grosser Unterstützer von fachlich hervorragenden Musikausbildungen , die den Musikerinnen und Musikern einen Rucksack mitgeben, der es ihnen ermöglicht, ein reales existenzielles Auskommen als Musikerin und Musiker aufzubauen. Dazu gehört besonders in der Schweiz zur Zeit in vielen

Fällen auch das Unterrichten und die vermittelnde Arbeit mit Laiengruppierungen, die übringes oft auch gut bezahlt ist. Die Migrationsfrage spielt für mich vor diesem Hintergrund eine untergeordnete Rolle.

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