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Jürg Siegrist

Tage im Schnee: Ein kleines Tagebuch


Samstag, 11.1.2019

Wir kommen am späteren Nachmittag in Obergesteln an. Die Rollkoffer schleifen nach dem Aussteigen kiloweise Schnee mit sich. Nach dem Abendessen findet die erste Probe mit allen statt. Wir proben parallel mit den Solistinnen und Solisten. Ein recht gemütlicher Einstieg. In der Nacht beginnt es zu schneien.

Sonntag, 11.1.2019

Es schneit weiter. Wir beginnen mit den ersten szenischen Versuchen. Das Werk ist noch keineswegs gut bekannt und wir kommen muskalisch recht schnell, szenisch jedoch nur langsam vorwärts. Ich diskutiere mit einigen Sängerinnen und Sängern darüber, ob alles auswendig gesungen werden muss und wir einigen uns auf die Variante, dass Spicken per Handy oder Zeitung notfalls erlaubt ist. Am Abend teilt mir die Regisseurin Barbara Schneebeli mit, dass sie früher als geplant abreisen muss, da sie sonst auf Grund der Schneemassen nicht mehr rechtzeitig nachhause kommt. Ich habe bereits nach dem ersten regulären Lagertag eine ziemliche Krise und schlafe schlecht.

Montag, 12.1.2019

Wie geplant kommt Felix Gygli, ein ehemaliger Schüler, hinzu, der im 2. Studienjahr Gesang studiert und unterstützt uns in der Probenarbeit. Wir arbeiten intensiv mit den Solistinnen und Solisten und es wird langsam etwas besser. Wir ergänzen uns gut und die Szenerie beginnt sich zu verfestigen, während auf Grund des Schneefalls alle Zufahrtswege nach Obergesteln gesperrt werden. Am Abend steht noch lange nicht fest, wie weit wir in dieser Woche kommen werden. Ich schlafe wie immer in solchen Situationen maximal 5 Stunden.

Dienstag, 13.1.2019

Es schneit nicht mehr. Seit unserer Ankunft ist mindestens ein Meter Neuschnee gefallen. Auf Initiative des Gesangsstudenten, der sich unheimlich stark engagiert, legen wir schon bald phasenweise die Noten weg und beginnen mit der szenischen Verfeinerung. Zweimal zeigt sich deutlich, dass das Weglegen der Noten bereits zu diesem frühen Zeitpunkt zu einer erstaunlichen Qualitätssteigerung führt. Die Sängerinnen und Sänger sind gefordert, arbeiten aber mit viel Engagement und Freude mit. Als sich am Nachmittag das Goms zum ersten Mal von seiner schönsten Seite zeigt, macht sich in mir die Zuversicht breit, dass wir mit einer dertigen Entwicklung zu schier unerahnten Resultaten kommen könnten. Am Abend möchten wir am liebsten weiter arbeiten. Mein Kollege, Christoph Huldi, der den grossen Chor leitet, muss die Notbremse ziehen, da er auch mal mit dem vollständigen Chor arbeiten möchte.

Mittwoch, 14.1.2019

Das Konzept für die Aufführung am Donnerstag Abend steht. Am Morgen probt der ganze Chor an den Werken von Chilcott. Eine wohltuhende Abwechslung. Am Nachmittag stösst das Orchester zu uns. Der Cembalist fährt extra mit einem Koffercembalo nach Obergesteln, um mit uns zu proben. Am Abend findet die erste Gesamtprobe von Kammerchor und Orchester statt. Die Stücke klingen gut, müssen aber noch mehr Kontur kriegen. Wir lassen einen grösseren Teil des Werks ein erstes Mal durchlaufen. Schon der erste Durchlauf wartet mit beachtlichten Qualitäten auf. Am Abend stösst Luca Gotti, ein zweiter Gesangsstudent, zu uns, der die Sorceress verkörpern wird. Die bevorstehende Nacht wird kurz werden....zum ersten Mal aber nicht aus Stressgründen.....

Donnerstag, 15.1.2019

Wir proben am Morgen intensiv an der Hexenszene. Die Accompagnati sind anfangs für das Orchester noch recht ungewohnt, aber wir finden uns recht schnell. Die instrumentalen Sätze klingen schon ziemlich gut, stellen für das Orchester aber eine Herausforderung dar. Interessanterweise klappt es immer dann am besten, wenn wir den Grundcharakter der Stücke auf Anhieb gut treffen. Es macht Spass, die tänzerischen Stücke gemeinsam zu musizieren. Etwas später setzen wir die Hexenszene mit dem Chor zusammen. Vieles stimmt schon, aber die heiklen und sehr schnellen Übergänge klappen noch nicht optimal. Auch der Chorleiter wird zugegebenermassen wahrscheinlich auch aus Gründen der Müdigkeit manchmal leicht nervös....Kurze Zeit später folgt das Abschlusskonzert. Alle merken, dass bereits nach nur einer Woche ein äusserst spannendes und dichtes Gesamtkunstwerk entstanden ist. Das Publikum zeigt sich schwer beeindruckt und ich bin einfach nur dankbar, dass wir soviel erreichen konnten. Nach dem Konzert brechen einige in Tränen aus......auch ich. Das ist mir so noch selten passiert......

Freitag. 16.1.

Ich fahre müde aber zufrieden mit meiner Kollegin Christine Boog mit dem Materialtransporter nachhause.

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