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von Jürg Siegrist

Zwei Weihnachtsgeschichten


Die Weihnachtsgeschichte ist wohl eine der ältesten Erzählungen, die ich kenne. Seit Jahrhunderten prägt sie Generationen von Menschen in Europa und in der ganzen Welt. Wie viele andere Erzählungen, die sich in der Geschichte halten konnten, beinhaltet sie grundlegende Elemente des menschlichen Daseins. Die Geburt eines Kindes, Armut, Reichtum (sowohl geistig wie materiell), Selbstbestimmung, Fremdbestimmung, Glaube, Macht und Schicksal. Geschichten und auch die Geschichte sind der Boden unseres Daseins und wir sind tagtäglich mit der Herausforderung beschäftigt, wie wir auf diesem Boden weitergehen.

Ich selber bin ohne Internet und Handy aufgewachsen. Ich will damit nicht sagen, dass früher alles besser oder schlechter war, aber es war anders. Wir merken alle, dass die neuen Medien tiefgründige Veränderungen in unserer Gesellschaft bewirken und wir müssen Antworten darauf finden, wir mit diesen Veränderungen umgehen wollen. Im Musikunterricht am Gymnasium bin ich mit den Fragen dieser Veränderungen direkt konfrontiert. Dazu zwei Episoden:

In einer Unterrichtseinheit zum Thema Notation habe ich am Schluss die Frage gestellt, wie die neuen Medien den Umgang mit musikalischer Notation verändern könnten. Sind sie eine Chance? Sind sie eine Gefahr? Was bedeuten Sie für die historisch von Hand notierte Musik? Es gab sehr viele interessante Voten aus der Klasse, von "die Bedeutung der historischen Notation wird zurückgehen aber nicht verschwinden" "die Notation von Hand wird verschwinden" bis zu "das ist mit eigentlich egal, es ist halt dann so wie es ist" (das letzte Votum hat mich ziemlich schockiert, ich habe es jedoch so stehen lassen....)

In einer anderen Klasse habe ich zur Weihnachtszeit einen Spiritual gesungen. Ein Schüler hat gefragt, ob er mit Schlagzeug begleiten dürfe, was ich ihm erlaubt habe. Anschliessend habe ich die Klasse gefragt, welche Wirkung das Schlagzeug nun auf die Musik hatte. Ein Schüler antwortete: "Sie ist nicht mehr authentisch". Dieses unerwartete Votum hat mich positiv überrascht. Tatsächlich wurde dieser Spiritual im Ursprung sicher nicht mit Schlagzeug gesungen und der Schüler beschäftigt sich offensichtlich mit der wichtigen Frage nach Echtheit und Ursprung der Dinge.

Ich vermute, dass die Frage und das Bedürfnis nach Authentizität uns in Zukunft noch viel beschäftigen wird. Was ist wirklich echt? Was ist fake? Gibt es verschiedene Authentizitäten? Wie gehen wir damit um?

Ich bin ein authentisches Modell aus dem alten Jahrtausend, einer Zeit ohne Internet und Handy, daran lässt sich, solange ich lebe, nichts ändern, das ist eine Tatsache nicht einfach egal und ich bin der Meinung, dass gerade unsere Generation aktiv in den Diskurs im Umgang mit den neuen Medien eingreifen sollte...zum Wohle einer authentischen Zukunft!


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